

Warum
Elses Geschichte Erwachsenen und Kindern erzählt werden
muss
`Den
Abgrund der Vergangenheit zu verdecken, hieße den Weg in die
Zukunft gefährdenYWer aus der schuldlosen
Jugend eine ahnungslose Jugend zu
machen versucht, der fügt neue Schuld zur alten."
Erich Kästner
Elses Geschichte steht in einer Reihe mit den kunstvoll bebilderten
Büchern des Malers Lukas Ruegenberg, die er zusammen mit Inge
Deutschkron, Willi Fährmann, Jurek Becker u.a. entwickelt hat.
Ruegenberg, Schüler von
Karl Schmidt-Rottluff, ist Ordensbruder der Benediktinerabtei Maria
Laach.
Ihm geht es darum, auch sehr jungen Menschen schwierige Themen zu
vermitteln und humane Werte wie Brüderlichkeit und
Nächstenliebe,
Zivilcourage und Gerechtigkeitssinn nahe zu bringen.
Trotz (oder gerade wegen) der heutigen Medien-, Action-, Spaß-
und Reizüberflutung sind Kinder nämlich durchaus offen und
dankbar für
Angebote, etwas ernst zu nehmen, andere Menschen ernst zu nehmen, damit
auch sich selbst ernst zu nehmen und am Ende auch von anderen ernst
genommen zu werden.
Es kommt einem elementaren Bedürfnis
heranwachsender Menschen entgegen, sich moralisch zu orientieren und
einen eigenen Standpunkt zu finden.
„Elses Geschichte“ basiert auf dem Schicksal der damals 8-jährigen
Else Schmidt, die ihren Hamburger Pflegeeltern entrissen und in das KZ
Auschwitz-Birkenau verschleppt wurde. Als “Viertel-Zigeunerin” erfasst
und abgestempelt war sie der Rassenpolitik der Nationalsozialisten
schutzlos ausgeliefert.
Nur dem mutigen Kampf ihres Pflegevaters Emil Matulat war es zu
verdanken, dass wenigstens sie der Mordmaschinerie im letzten Moment
entkommen konnte. Wenigstens sie.
Eine ernste Geschichte, eine traurige Geschichte. Doch auch ernste
Geschichten wollen erzählt sein.
Sicher gibt es auch heute noch gutmeinende Eltern und Pädagogen,
die eine „heile Welt“ zumindest im Kinderbuch bewahrt wissen wollen.
Das ist vielleicht sympathisch, aber auch realitätsfremd.
Die Kriegs-, Katastrophen- und Horrorwelt, der Kinder durch die Medien
heute stärker als je zuvor ausgesetzt sind, kommt ohnehin zumeist
völlig unvermittelt in die Köpfe. Panik und Angst, der
Tsunami und die atomare Bedrohung in Japan, Erdbeben,
Bürgerkriege, Terroranschläge gehören zum Alltag junger
Menschen, ebenso wie die Hungertoten in der Dritten Welt, Kinderarbeit
und anderer Kindesmissbrauch. Und auch der Amoklauf in der Schule von
Winnenden, das blutige Massaker von Oslo und die Opfer der
rassistischen Mörderbande aus Zwickau lassen sich nicht
verschweigen oder leichtfertig wegzappen.
Kinder müssen die ihnen zugemutete
Wirklichkeit erklärt bekommen, begreifen, Ursachen und
Hintergründe unterscheiden können.
Natürlich braucht es für komplexere Fragestellungen die
erklärende Begleitung
des Pädagogen (im Deutsch-, Geschichts- oder Ethikunterricht)
und/oder die Gesprächsbereitschaft der Eltern. Lehrer und Eltern.
Wir alle sind also gefordert, auch ein wenig Mühe auf uns zu
nehmen, damit es nicht
nur bei Lippenbekenntnissen der Politiker und
Schweigeminuten bleibt.
Junge Menschen haben – frei nach Theodor W. Adorno – ein Recht darauf,
nicht verdummt zu werden, selbst, wenn sie selbst das noch so sehr
wünschen.
Ich denke, Elses Geschichte könnte dabei so etwas sein wie eine
lehrreiche und spannende Zeitreise in die Vergangenheit. Dabei
wünsche ich mir, dass die Leser Empathie für die Opfer,
Verfolgten und ihre Helfer entwickeln, damit sie im Zweifelsfall auf
ihrer, auf der richtigen Seite stehen.
Und was die schrecklichen Klischees und Vorurteile betrifft: Über
ihr unverstelltes
Einfühlungsvermögen und ihre Fähigkeit zur
Identifikation gelingt es jungen Menschen oft sogar leichter als
Erwachsenen, törichte Haltungen und Standpunkte zu
hinterfragen und zu verändern.
Als Autor habe ich in vielen hundert Lesungen erlebt, dass sich Herzen
und Köpfe tatsächlich durch Berichte von Zeitzeugen
öffnen lassen, dass junge Menschen sogar dankbar sind, wenn
über Ausgrenzung und rassistische Verfolgung gesprochen und nicht
geschwiegen wird. Auch Kinder, die in sozialen Brennpunkten leben
müssen, oder die aus Bürgerkriegsländern
kommen und selbst Schreckliches erlebt haben, nehmen Anteil, schreiben
Briefe und malen Bilder für Else und Angela, wollen die heute
über siebzigjährigen Frauen trösten.
Darüber staune, wundere und freue ich mich.
Auch heute werden Kinder ausgegrenzt, verächtlich gemacht,
angepöbelt und bedroht. Es ist einfacher, Migranten und
Flüchtlinge zum Problem zu erklären, als ihnen wirksam zu
helfen.
Vielleicht aber können Elses Kinderaugen auch uns sogenannten
“Erwachsenen” den Blick für das heutige Unrecht öffnen. Und
wenn Kinder
am Ende des Stücks ganz schlicht und einfach sagen: Das ist nicht
fair, das ist gemein, das ist schrecklich, das verstehe ich nicht -
haben sie vielleicht schon sehr viel mehr begriffen als mancher
Erwachsene.
Ein Kinderbuch, ein Kinderstück? -
Ein Menschenbuch.
Elses Geschichte ist selbstverständlich trotz der bunten Bilder
auch ein “Erwachsenenbuch”.
Die Nazi-Täter, ihre Mitmacher und Dulder waren
"Erwachsene", keine Kinder. Und derjenige, der widerstand und sich
wehrte, Elses Vater, Emil Matulat, ebenfalls.
Auch Erwachsene heute dürfen Elses Geschichte lesen und
darüber mit den Kindern reden, zum Beispiel:
Nicht alle damals waren Nazis, wenige waren Mörder. Es gab auch
Hilfsbereitschaft
und Widerstand.
Aber es war keine Zeit der Schuldlosen. Auch die Gleichgültigen,
die Abwarter, Wegschauer, die nur mal kurz Mitläufer, die
neugierigen Zuschauer und die Nichtstuer haben das Unrecht und das
millionenfache Morden möglich gemacht.
Voltaire, der Philosoph, hat vor über 200 Jahren geschrieben, dass
wir nicht für das, was wir tun, verantwortlich sind, sondern auch
für das, was wir nicht tun.
Das ist vielleicht das Wichtigste, was Kinder wie Erwachsene aus der
Geschichte lernen können. Oder auch:
Unsere Eltern und Großeltern, zumeist "ganz normale Deutsche",
mussten damals, unter dem Diktat der Nazis, schon in der Schule ihre
Intelligenz verraten, ihre Vernunft vergessen, ihre Kultur verachten,
ihre Moral und ihr Christentum verleugnen. Und auch Friedrich Schillers
schöner Götterfunken: "alle Menschen werden Brüder!"
wurde ausgelöscht ... Rassenkunde hieß das
Schulfach, in dem von Herrenmenschen und Untermenschen die Rede war.
Heute leben wir in einer freien Gesellschaft, mit einem Grundgesetz,
das uns aufträgt, Menschen anderer Herkunft, Weltanschauung und
Religion zu achten und zu schützen.
Heute haben wir es leichter, Humanität und Zivilisation zu
verteidigen. Wir können Toleranz und Menschenfreundlichkeit
lehren und lernen. Kinder haben das Recht auf die Chance, bessere und
klügere "Erwachsene" zu werden.
Eine Mannheimer Sintizza, ebenfalls Überlebende des Holocaust, hat
mich -
und ich sie - immer gern in die Schulen begleitet. “Kinder sind keine
Rassisten, sie werden dazu gemacht.” hat sie mehr als einmal gesagt.
Hildegard Lagrenne, als junge Frau selbst im KZ, musste miterleben, wie
ihr kleiner Sohn von der SS ermordet wurde. Es fiel ihr schwer,
darüber zu
sprechen und alte Wunden wieder aufzureissen. Doch sie hielt es
für ihre Verpflichtung, jungen Menschen davon zu erzählen und
nannte den Grund:
“Damit das niemals wieder geschieht. Von den Alten erwarte ich nicht
viel, aber ihr Jungen, ihr seid die Zukunft, ihr seid die Hoffnung!”
Else konnte gerettet werden. Während rund zwei Millionen Kinder
und Jugendliche, darunter auch Anne Frank oder die Sinti-Kinder von
Mulfingen,
dem Rassenwahn der Nazis zum Opfer fielen. Der größte
Kindermord in der Geschichte der Menschheit. Nur aus einem einzigen
Grund: weil sie als Sinti, Roma oder Juden geboren wurden.
Und daher bleibt Elses Geschichte eine ernste und traurige.
Ein mögliches Happy-End läge außerhalb des Buches und
außerhalb des Stücks. Es liegt bei uns.
Und noch einmal Erich Kästner, der Kinderbuchautor und Moralist.
Wenige Jahre nach unserer Befreiung vom Faschismus schrieb er:
„Auch die Schulkinder sollten erfahren, wie Kindern damals mitgespielt
wurde. Sie werden Fragen stellen und von den Eltern und Lehrern
Auskunft erwarten. Die Aufgabe ist schwer. Aber sie ist unabwendbar.
Den Abgrund der Vergangenheit zu verdecken,
hieße den Weg in die Zukunft gefährden.“
|
Michail Krausnick
Elses Geschichte - ein Bilderbuch über
Auschwitz?
Dass manche Eltern, Buchhändler, Pädagogen damit ein Problem
hatten, ist verständlich. Wer will das schon? Wer kauft das schon?
Doch auch traurige Geschichten wollen erzählt sein.
Und die meisten jungen Menschen, für die es gedacht ist, sind
(sehr zur Freude des Autors) gern bereit, sich mit einem ernsten
Thema auseinanderzusetzen und damit auch sich selbst ernst zu nehmen.
Sie erkennen sehr schnell, dass es sich bei Elses Geschichte weder um
ein Kinder- noch um ein Erwachsenenbuch handelt, sondern um eines
für junge Menschen von 8 bis 80.
Elses Geschichte ist sicher keine bequeme Lektüre, sie braucht
Dialog und Gesprächsbereitschaft.
Kinder und Heranwachsende könnten Fragen an die Älteren
stellen.
In diesem Sinne entstand das Buch und dazu habe ich einige Gedanken
formuliert. Aus besonderen Anlass:
Elses Geschichte gibt es auch als Theaterstück und
dafür möchte ich werben.
Nada
Kokotovic führte Regie. Sie hat Elses Geschichte für das
Heidelberger Theater mit dem bekannten
Schauspieler und Roma-Autor Nedjo Osman für die Bühne
bearbeitet und
sie richtet unser Augenmerk auch auf heutige Ausgrenzung und - von Oslo
bis Zwickau - mörderische Menschenverachtung.
jetzt wieder
lieferbar
edition durchblick
auch als e-book
und Taschenbuchausgabe
ELSE- Ein Mädchen
überlebt Auschwitz
mit Bildern von Lukas Ruegenberg
TASCHENBUCH 9,99 €
edition durchblick
ISBN 9783738619744

Welt
am Sonntag, Kinderbücher
des
Monats
Platz 1
auf der Deutschlandfunk-Bestenliste
"Die
besten 7
Bücher für junge Leser"
Eine
Jury mit 28
Juroren aus Deutschland, Österreich
und
der Schweiz ermittelt
einmal im Monat die besten Bücher.
Platz
1 Jugendbuch-Bestseller "Berliner
Morgenpost"
Jugendbuch-Bestenliste
des "focus"
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